Er sagte zu ihnen: «Zündet man etwa ein Licht an und stellt es unter einen Scheffel oder unter das Bett? Stellt man es nicht auf den Leuchter? So gibt es nichts Verborgenes, ausser damit es entdeckt wird, und nichts, was sich verborgen hat, ausser damit es erscheint.» (Markus 4,21-22)
In den Sätzen, die Markus hier seinem Jesus in den Mund legt, steckt ein Funke, der Jahrhunderte später Flammen schlagen wird. Dazwischen allerdings liegen finstere Zeiten, und sie dauern an. Dinge und Sachverhalte zu verdunkeln und sie im Zwielicht von Sprachhülsen zu verbergen, hat eine lange Tradition, auch in der Kirche.
Gegen diese Verdunkelung und Geheimniskrämerei steht das Programm der Aufklärung, der Enthüllung der Welt im Licht der Vernunft. Das Wort «Vernunft» kommt von «vernehmen». Es bezeichnet die menschliche Fähigkeit, die Welt ganz in uns aufzunehmen, indem wir sie begreifen und verstehen. Was darüber hinausgeht, ist Luftschloss oder Wortklauberei, im besten Fall ein Licht unter dem Scheffel.
Der «Glaube an Geheimnisse», schreibt der Philosoph Immanuel Kant in seiner Schrift über die Religion, sei «der Wahn, das, wovon wir selbst durch die Vernunft uns keinen Begriff machen können, doch unter unsere Vernunftbegriffe … aufnehmen zu müssen».
Diesen Satz muss man vielleicht zweimal lesen, bevor er seine Sprengkraft entfaltet und uns aus dem Bett jagt, unter dem wir seine aufklärende Erheiterung versteckt haben.
Kant hat genau heute vor 300 Jahren das Licht der Welt erblickt und bringt es seither aufklärend zum Leuchten, allen Scheffeln zum Trotz.
Es ist ein Leuchten aus der Fern,
es ist ein Schimmer, ist ein Stern,
von dem ich längst gehöret.
(Kirchengesangbuch Nr. 410)
Hansueli Hauenstein