Dies sind die Tiere, die ihr essen dürft. (5. Mose 14,4)
«Ihr dürft jetzt diese Bilder ausmalen». Der Satz fällt im Religionsunterricht, und ich habe ihn als Gast so oder ähnlich unzählige Male gehört. Jedesmal bin zusammengezuckt – nicht wegen dem Ausmalen (dazu gäbe es auch einiges zu sagen …), sondern wegen dem «dürfen».
In diesem kleinen Wort versteckt sich eine ganze Welt an Ansprüchen, Beziehungen und Rollen. Im Klartext heisst der Satz darum herum: «Ihr malt jetzt diese Bilder aus, weil ich es so will und weil ich denke, dass ihr das auch wollt».
Für Kinder ist das eine Zumutung und eine mehr schlecht als recht verpackte Demonstration pädagogischer Macht dazu. Denn welche Möglichkeit hätten sie, sich gegen dieses als freundliches Gewähren verkleidete Befehlen zu wehren? «Ok, ich darf, aber ich will nicht!» – was dann?
Das «dürfen» hat auch sonst in der Kirche seinen Ort, in salbungsvollen Predigten zum Beispiel, in denen uns klargemacht wird, dass wir uns der göttlichen Güte und Macht jederzeit anvertrauen «dürfen», dass wir immer wieder Hoffnung schöpfen «dürfen» usw. Damit werden Menschen zu abhängigen Wesen, denen der Zugang zum Göttlichen erlaubt wird. Sie werden für eine theologische Pädagogik vereinnahmt, zu der sie selber wenig zu sagen haben.
In der Bibel kommt das «dürfen» in diesem gewährenden Sinn nicht vor. Wo es uns in deutschen Übersetzungen trotzdem begegnet – etwa in den Speisegeboten – steht ursprünglich eine einfache Zusage: «davon esst ihr – davon nicht». Das ist klar, deutlich und befreiend.
Noch befreiender wäre, wenn das «dürfen» durch ein «können» ersetzt würde: «Du kannst jetzt diesen Text schreiben». Ja, das kann ich – und sonst kann ich etwas anderes.
Soll ich reden oder schweigen,
kämpfen oder still mich beugen?
Sage du mir dann:
Man soll, was man kann.
(Kirchengesangbuch Nr. 815)
Hansueli Hauenstein