Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? (Lukas 24,5)
Vor etlichen Jahren erschien in einer süddeutschen Tageszeitung eine Todesanzeige mit einem ausserordentlich kurzen Text. Er lautete: «Ich bin tot. Klaus A. 26.12.2002».
Was da so knapp und klar daherkommt, stellt uns vor ein paar merkwürdige Fragen. Angenommen, diese Mitteilung ist wahr: ist sie es dann wirklich? Wenn Klaus tatsächlich tot ist, gibt es dann noch ein Ich, das mit uns reden kann? Stellt nicht gerade das Faktum des Todes, das hier so nüchtern verkündet wird, seine Realität in Frage, indem es an ein Ich gebunden wird, das es ja vermeintlich gar nicht mehr gibt?
In dieser Todesnachricht werden zwei Dinge gleichzeitig behauptet: dass die Grenze zwischen Leben und Tod haarscharf und sogar mit einem Datum gezogen werden kann – und dass diese Grenze so diffus ist, wie eine Grenze nur sein kann. Die Form der Mitteilung, die erste Person, die sie äussert, hebt ihren Inhalt auf. Der Tod kommt ins Schweben. Indem er sein Lebensende als persönliche Nachricht im Medium der Tageszeitung mitteilt, verschafft sich der tote Klaus eine merkwürdige Präsenz. Indem er behauptet, dass er nicht mehr da ist, schaut er sozusagen noch ein bisschen um die Ecke.
Als die Frauen am Ostermorgen das Grab besuchen, finden sie keinen Körper mehr. Aber sie finden das Ich dessen, der nun tot ist. Ihnen begegnet es nicht im Medium einer Tageszeitung, sondern im Medium einer Engelsbotschaft. In ihr vernehmen sie die Stimme des Toten, der ihnen sein gewaltsames Ende und seine andauernde Gegenwart mitteilt.
Die Frauen verstehen das als ein Lebenszeichen. Und Lukas, der uns die Geschichte berichtet, gibt ihnen Recht.
Jesus lebt,
mit ihm auch ich.
(Kirchengesangbuch Nr. 482)
Hansueli Hauenstein