Wenn du weise bist, so bist du weise für dich; und spottest du, so wirst du allein es tragen.
(Sprüche 9,12)
Etwas unbemerkt von der grossen Öffentlichkeit hat sich kürzlich ein römisch-katholischer Kardinal mit Schweizer Herkunft so ziemlich in die Nesseln gesetzt. Er brachte die Forderungen, die in Deutschland an die Reform seiner Kirche gegenwärtig gestellt werden, in Bezug zur Kirchengeschichte des Dritten Reiches.
Damals, so der Kardinal, hätten die «Deutschen Christen» mit Blick auf ihre Kirche noch andere, aktuelle «Offenbarungsquellen» in Betracht gezogen – eben die enthusiastische neue Bewegung unter Hitler. Das habe im Fiasko geendet und sei theologisch im höchsten Masse verwerflich, denn die Kirche und ihre Lehre dürften sich aus keiner anderen Quelle speisen als der Bibel und der Tradition. Wenn sich gegenwärtig Stimmen erhöben, die als Massstab für kirchliche Reformen auch den «Zeitgeist» geltend machten, führe das auf ähnliche Weise ins Verderben.
Der Kardinal ist ein feinsinniger Intellektueller. Seine Argumentation ist differenziert und sorgfältig und seine nachträgliche Rechtfertigung theologisch makellos. Was er nicht bedachte: dass ein synodaler Prozess keine akademische Veranstaltung ist und dass ein Schweizer in Deutschland besser dreimal überlegt, bis er sich zur Geschichte des Nationalsozialismus äussert.
Manchmal ist es vielleicht tatsächlich klüger, seine Weisheit für sich zu behalten.
O Weisheit aus des Höchsten Mund,
die du umspannst des Weltalls Rund
und alles lenkst mit Kraft und Rat:
Komm, weise uns der Klugheit Pfad.
(Kirchengesangbuch Nr. 362)
Hansueli Hauenstein