Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen. (Johannes 1,14)
Ich bin am Lesen eines neuen Büchleins, das mich ärgert. Der Theologe Ralf Frisch setzt sich darin unter dem Titel «Widerstand und Versuchung» mit den Gedanken von Dietrich Bonhoeffer auseinander.
Dieser hatte in den letzten Wochen vor seiner Hinrichtung durch die Nazis seinen Glauben radikal überdacht. Im Gefängnis in Berlin hatte er dazu Zeit und Gelegenheit. Unter dem Eindruck einer barbarischen Staatsideologie und ihrem aufgeblasenen religiösen Getöse, an dem die Kirchen heftig mitwirkten, wandte sich Bonhoeffer von seiner früheren Theologie ab. In Briefen an einen Freund versuchte er zu formulieren, was ihm nun am Wichtigsten schien: die Suche nach einem Glauben und einer Frömmigkeit, die auf einen Herrgott im Himmel ebenso verzichten können, wie auf entsprechende totalitäre (klerikale) Ideen und Praktiken.
«Gott gibt uns zu wissen, dass wir leben müssen als solche, die mit dem Leben ohne Gott fertig werden. Der Gott, der mit uns ist, ist der Gott, der uns verlässt.»
Das ist rätselhaft und paradox. Aber es enthält im Kern das, worum wir ein viertel Jahrtausend nach der Aufklärung nicht mehr herumkommen, wenn wir unsere Vernunft nicht am Kirchenportal abgeben wollen.
Und der Ärger? Frisch ist der Meinung, Bonhoeffer habe unter den unmenschlichen Haftbedingungen letztlich sich selbst verraten und damit eine Theologie, die an einem fernen Jenseits und einem darin wohnenden Gott festhalten muss, falls sie noch christliche Theologie sein will.
Das finde ich gönnerhaft und zu kurz gedacht. Aber vielleicht sehen Sie es anders?
Der immer schon uns nahe war,
stellt sich als Mensch den Menschen dar.
(Kirchengesangbuch Nr. 421)
Hansueli Hauenstein