Alles hat Gott so gemacht, dass es schön ist zu seiner Zeit. (Prediger 3,11)
In einem Traum sieht der ägyptische Herrscher sieben schön aussehende Kühe aus dem Nil steigen. Ihnen folgen sieben andere, hässliche Kühe, die die schönen gierig verschlingen.
Das hebräische Wort für «hässlich» bedeutet auch «schlecht» und «böse»: mit dem ästhetischen ist ein moralisches Urteil verbunden. Das ist kaum ein Zufall. Bis heute wird fremdartig aussehendes und deshalb bedrohlich wirkendes Leben als hässlich bezeichnet. Es darf nicht schön sein. Es ist böse und muss bekämpft werden.
In einem neuen Buch geht die deutsch-afghanische Autorin Moshtari Hilal diesem Mechanismus nach. Das Hässliche ist das Diskriminierte, das von den selbsternannten Schönen zum Verschwinden gebracht wird.
Schöne Menschen begegnen uns in der Bibel zahlreich, vor allem schöne Frauen: Sarah, die einem früheren ägyptischen Herrscher gut gefällt und die er deshalb kurzum zu seiner Frau macht; oder Rachel, die von Jakob geküsst wird, noch bevor sie überhaupt weiss, wer er ist. Hässliche Menschen hingegen kommen in der Bibel nicht vor. Vielleicht sind sie vom Schönen verschlungen worden – zum Verschwinden gebracht von allzu viel menschlichem und göttlichem Glanz.
Dem schönen Abschalom, Sohn des ersten israelitischen Königs, einem Herrschaftskritiker, wird seine Schönheit zum Verhängnis: auf der Flucht wird sein langes Haar für ihn zum Strang. Die Macht erträgt offenbar nur ihre eigene Schönheit. Wer sie in Frage stellt, wird verschlungen.
Wovon wohl eine ägyptische Sklavin geträumt hätte?
O Haupt, sonst schön gekrönet
mit höchster Ehr und Zier,
jetzt aber frech verhöhnet:
Gegrüsset seist du mir.
(Kirchengesangbuch Nr. 445)
Hansueli Hauenstein