Als Jesus und die Jünger sich Jerusalem näherten und nach Betfage kamen, an den Ölberg, sandte Jesus zwei der Jünger aus und sagte zu ihnen: «Geht hin in das Dorf, das euch gegenüberliegt; und sogleich werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los und führt sie zu mir, und wenn jemand etwas zu euch sagt, so antwortet: ‹Der Herr braucht sie› – und sogleich wird er sie senden.» Dies aber ist geschehen, damit erfüllt wurde, was durch den Propheten geredet ist, der spricht: «Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und auf einer Eselin reitend und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Jochtiers.» Als aber die Jünger hingegangen waren und getan hatten, wie Jesus ihnen aufgetragen, brachten sie die Eselin und das Fohlen und legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich auf sie. (Matthäus 21,1-7)
Das Tier, auf dem Jesus in Jerusalem einzieht, macht es einem nicht leicht. Es gilt als eigenwillig und störrisch. Deshalb passt schon das gleitende «Einziehen» wohl eher auf die hölzernen Palmsonntagsesel, die früher auf Rädern durch palmengeschmückte Kirchen gezogen wurden, als auf lebende Tiere.
Dazu kommt, dass Jesus sich gemäss Matthäus zugleich auf die Eselin und das Fohlen setzt. Ein phantasiereicher Ausleger erklärt das so, dass Jesus auf dem grösseren Tier sitzt und seine Füsse auf das daneben hertrabende kleinere stellt – eine Konstellation, die ein anderer Gelehrter «lieber nicht ausprobieren» möchte, und die auf die Augenzeugen dieses Kunststücks wahrscheinlich eher seltsam gewirkt haben dürfte: nichts da von königlicher Würde. Sanftmut hingegen wäre wohl tatsächlich erforderlich, denn bei dem Fohlen handelt es sich um eines, auf dem (wie wir bei Markus lesen, von dem Matthäus abschreibt) noch nie jemand geritten ist, und das entsprechend ungestüm auf die menschliche Annäherung reagiert haben dürfte.
Die Komik dieser akrobatischen Leistung ist den Auslegern nicht entgangen. Da aber nicht sein kann, was nicht sein darf, verweisen sie wie so oft bei kniffligen Texten auf Übersetzungsfehler (hier im Prophetenzitat) oder unterstellen Matthäus, dass er die erzählerische Anschaulichkeit vernachlässige, weil ihm die «Erfüllung» der prophetischen Verheissung wichtiger sei – und die rede eben von zwei Tieren.
Was aber, wenn Matthäus durch die eigenwillige Wahl der Reittiere genau das wollte: eine groteske Inszenierung, bei dem ihm die eigensinnigen Esel gerade recht kamen? Der Ritt des Nazareners wäre dann eher die Parodie eines königlichen Einzugs und das Jubeln der Menge trüge den Spott schon in sich, der sich kurz darauf als störrische Gewalt entlarvt.
Dein König kommt in niedern Hüllen,
sanftmütig auf der Eslin Füllen;
empfang ihn froh, Jerusalem.
(Kirchengesangbuch Nr. 371)
Hansueli Hauenstein