Der Gott, der gesagt hat: Aus der Finsternis soll Licht aufstrahlen – er ist es, der aufgestrahlt ist in unseren Herzen, so dass die Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes aufleuchtet auf dem Angesicht von Jesus Christus. (2. Korintherbrief 4,6)
Gemäss einer Statistik von 2019 glaubt rund ein Drittel der Schweizer Reformierten «weder an einen noch an mehrere Götter, aber an eine höhere Macht». Darauf scheint man sich in unserer Kirche (und darüber hinaus) also gut verständigen zu können.
Was genau mit dieser Macht gemeint ist, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich vermute eine Art himmlischen Bundesrat, der in weiser Voraussicht die Geschicke der Welt im Allgemeinen und der einzelnen Eidgenossen im Besonderen lenkt. «Dominus providebit» heisst es entsprechend auf unserem Fünfliber: Gott wird vorsorgen.
Der Schweizer Theologe Karl Barth (1886-1968) schuf ein umfangreiches gelehrtes Werk. Er konnte sich allerdings auch in lakonischer Kürze äussern, etwa zu der Frage, ob er an eine höhere Macht glaube. «Höher als was?», soll seine knappe Antwort darauf gewesen sein.
Hinter der unwirschen Reaktion steckt wohl Barths Kampf gegen den Schicksals- und Vorsehungsglauben, der sich in den deutschen Kirchen der 30er-Jahre grösster Beliebtheit erfreute und die «höhere Macht» in den beflaggten Massenaufläufen faschistischer Volksmengen gespiegelt sah.
Diese Macht scheint in ihrer nebulösen Vagheit extrem korrumpierbar zu sein. Dagegen steht die Einsicht des Apostels, dass wir die Herrlichkeit Gottes auf dem Gesicht eines Menschen erkennen. Eine niedrigere Macht, gewiss, aber sicher die aufgeklärtere.
Morgenglanz der Ewigkeit, Licht vom unerschaffnen Lichte,
schick uns diese Morgenzeit deine Strahlen zu Gesichte
und vertreib durch deine Macht unsre Nacht.
(Kirchengesangbuch Nr. 572)
Hansueli Hauenstein