Der da heilt, die zerbrochenen Herzens sind,
und ihre Wunden verbindet;
der da zählt die Zahl der Sterne,
sie alle nennt mit Namen.
(Psalm 147,3-4)
Das menschliche Zählen beginnt in der Bibel mit einem Scheitern. Das Getreide, das Joseph in Ägypten für die drohende Hungersnot hortete, war «wie der Sand des Meeres, über die Massen viel, bis man aufhörte zu zählen, denn es war ohne Zahl.»
Die Unzählbarkeit, die hier dem staunenden Ausdruck des Unermesslichen dient, wird später vom Weltlichen auch auf das Göttliche übertragen: «Siehe, Gott ist erhaben, sodass wir nicht erkennen die Zahl seiner Jahre, sie ist unerforschlich», sagt Elihu zu seinem schwer geprüften Freund Hiob.
Für Hiob ist diese Geheimnistuerei – wie das Meiste, mit dem seine frommen Freunde ihn heimsuchen – nicht wirklich hilfreich. Das Zähl- und Berechenbare täte ihm besser, gäbe ihm Orientierung in einer chaotischen Welt.
Kürzlich sass ich mit geflüchteten Kindern zusammen. Sie wollten «Mathematik machen», und so begannen wir mit dem Addieren einstelliger Zahlen. Als ihnen das zu langweilig wurde, schrieben wir grössere Zahlen untereinander in «Bigeli» und zählten sie so Ziffer für Ziffer zusammen.
Eines der Mädchen entdeckte dabei, dass die Anzahl der Ziffern keine Rolle mehr spielte. Der Algorithmus des Addierens funktioniert unabhängig davon auch bei riesigen Zahlen. Das Unermessliche kann bewältigt werden, das Unerforschliche und Überwältigende verliert seinen Schrecken.
Dass der, der die Sterne zählen kann, auch der ist, der die zerbrochenen Herzen heilt (und umgekehrt), ist wohl kein Zufall. Das Leuchten auf dem Gesicht der kleinen Rechnerin zeugte davon.
Gott, der Herr, hat sie gezählet,
dass ihm auch nicht eines fehlet
an der ganzen grossen Zahl.
(Kirchengesangbuch Nr. 531)
Hansueli Hauenstein