Der Satan tarnt sich als Engel des Lichts. Es ist also nicht erstaunlich, wenn sich auch seine Diener als Diener der Gerechtigkeit tarnen. (2. Korintherbrief 11,14-15)
«Also, ihr Lieben, muss doch der Glaube etwas anderes sein als ein solches Gemisch von Meinungen über Gott und die Welt, und von Geboten für ein Leben oder zwei: und die Frömmigkeit muss etwas anderes sein als der Instinkt, den nach diesem Gemengsel von metaphysischen und moralischen Brosamen verlangt, und der sie sich durcheinander rührt.»
Der schöne, dichte Satz stammt vom Theologen Friedrich Schleiermacher. Er hat ihn 1799 in seinem visionären Text «Über die Religion – Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern» formuliert und damit viel Aufhorchen bewirkt. Seither ist es leider im besten Fall beim Aufhorchen geblieben.
Praktisch alles, was wir heute in kirchlichen Kreisen – was durchaus ökumenisch gemeint ist – an formulierter Frömmigkeit vernehmen, ist genau das Gemisch aus metaphysischen Meinungen und moralischen Appellen, über das Schleiermacher sich mit Recht lustig macht.
Glaube, soweit er in Worte gefasst ist, wird damit zur Sache einer persönlichen, bloss behaupteten und nicht weiter zu rechtfertigenden Weltanschauung oder zur, je nachdem, konservativen oder progressiven Anstandsregel, zum christlich getarnten Moralismus.
Das ist auch zweihundert Jahre nach Schleiermacher zu wenig. Denn dieses «Gemengsel» mag den «instinktiv» Gläubigen und ihren Verächtern genügen – die Wahrheit des Glaubens bleibt damit auf der Strecke.
O komm, du Geist der Wahrheit,
und kehre bei uns ein,
verbreite Licht und Klarheit,
verbanne Trug und Schein.
(Kirchengesangbuch Nr. 554)
Hansueli Hauenstein