So ist das Gottesreich: wie wenn ein Mensch den Samen auf das Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag, und der Same spriesst hervor und wächst, er weiss selbst nicht wie. (Markus 4,26-27)
Auf der Suche nach einer Verjüngungskur wird der alte Faust von Mephisto in eine Hexenküche geführt, wo ihm ein Trank verabreicht wird, zu dessen Zubereitung die Hexe einen Zauberspruch verwendet, das berühmt-berüchtigte Hexen-Einmal-Eins.
Es beginnt mit der wundersamen Vermehrung der Grundzahl, der Eins, indem es die Zwei beiseite lässt und sich sofort zur runden Zehn aufschwingt, dem Zeichen der Fülle und Vollständigkeit.
Am Anfang eines neuen Jahres, dessen Tag und Monat die Eins in sich tragen, wäre es leicht, sich eine vollkommene Welt herzudenken, eine gesättigte Wirklichkeit, die keine Wünsche offenlässt.
Folgt man der Logik der Hexe, wäre der Abstieg dann allerdings unausweichlich. Nach dem verwirrend flinken Durchgang von der Zwei zur Acht drängt nämlich schon die Neun zurück zum Ausgangspunkt – und noch schlimmer: die so satte, volle Zehn verpufft, kaum ist sie entstanden, unversehens im Nichts.
Zahlenzaubereien wie er sie selbst erdichtet hat, sagte der alte Goethe einmal, hätten «etwas Untröstliches». Vielleicht meinte er damit, dass es tröstlicher und deshalb lebensfreundlicher wäre, die Zwei – anders als von der Hexe empfohlen – nicht «gehn» zu lassen, sondern mit ihr nüchtern und bescheiden den nächsten Schritt in die nächste Nacht und den nächsten Tag zu wagen.
Auf hergezauberte Vollkommenheitsphantasien (auch im Glauben) müssten wir dann allerdings verzichten, nicht nur am Jahresanfang – und jünger würden wir damit auch nicht. Aber wäre das so schlimm?
Da alles, was der Mensch beginnt,
vor seinen Augen noch zerrinnt,
sei Du selbst der Vollender.
(Kirchengesangbuch Nr. 554)
Hansueli Hauenstein