Das Verborgene ist bei Ihm, unserem Gott, das Offenbare ist bei uns und unseren Nachkommen in Ewigkeit. Fünftes Buch Mose 29,28
Für mich eines der eindrücklichsten geistigen Bilder des rabbinischen Judentums ist das der Schechinah, der «Einwohnung» Gottes. Gemeint ist damit die Anwesenheit Gottes in der Welt: Gott verbirgt sich nicht in einem fernen herrschaftlichen Jenseits, sondern geht ein in die materielle, soziale und geistige Welt der Menschen.
In den chassidischen Geschichten, die Martin Buber gesammelt hat, begegnet diese Schechinah in der Gestalt einer Frau, die verhüllt durch die Gassen und Orte der jüdischen Welt wandert. Ihre Verhüllung ist ein Zeichen ihrer Verborgenheit und Unfassbarkeit, aber auch ein Zeichen der Trauer. Denn seit der Zerstörung des Jerusalemer Tempels in römischer Zeit lebt nicht nur das Volk Gottes im Exil, sondern auch dieser Gott selbst. Seine Wohnung wurde ihm ja geraubt.
Ein heimatloser Gott, ein Fremder auf Wanderschaft, eine Schutzsuchende in der Welt ihrer Menschen, verhüllt und einsam – was für ein Gedanke!
Wahrhaftig, Gott hat mich verlassen nicht,
nur einen Augenblick sein Angesicht
verhüllt vor mir, und neu erstrahlt sein Licht.
(Kirchengesangbuch Nr. 14)
Hansueli Hauenstein