Mit Leib und Seele will ich sagen: Herr, wer ist wie du? Du entreißt den Schwachen dem, der stärker ist, den Schwachen und Armen dem, der ihn ausraubt.(Psalm 35, 10)
In den Psalmen begegnen uns immer wieder Vers, die uns ratlos hinterlassen, weil sie vor Hass und Rachewünschen nur so triefen. Gott wird gebeten, die Feinde zu strafen und zu vernichten. Was soll das? Jesus hat doch nicht nur die Nächstenlieben, sondern auch die Liebe zu den Feinden gepredigt!
Auch im Psalm 35 kommen solche Wünsche vor. Ich habe aber diesen Vers gewählt, weil er uns helfen kann, diese anderen Aussagen einzuordnen. Der Ursprung dieser Gewaltfantasien ist, dass der Beter oder die Beterin selbst Gewalt erleidet. Hier ist die Rede vom Ausrauben, weiter vorne heisst es auch, dass die die Feinde falsche Aussagen als Zeugen machen, dem Beter Fallen stellen und ihm sogar nach dem Leben trachten. Kein Wunder, dass er sich wünscht, dass das aufhört, dass Gott die Schwachen und Armen beschützt.
«Schwach» und «arm» deuten darauf hin, dass der Sprecher sich nur beschränkt selber wehren kann. Und ich denke, die Gewaltphantasien sind auch ein Ausdruck dieser Hilflosigkeit. Manchmal ist nicht Rache süss, sondern das Ausmalen, wie die Verhältnisse sich umkehren, wie es den Übeltätern schlecht geht und einem selber endlich wieder gut.
Und hinter diesen Wunsch können auch wir uns ohne Vorbehalte stellen: dass das Unrecht, das Menschen anderen Menschen antun, aufhört.
Barmherziger Gott,
sei bei allen, die unter Unrecht leiden. Stärke und ermutige sie.
Zeige ihnen Wege, für sich einzustehen ohne neues Unrecht zu schaffen,
und gib ihnen die Unterstützung, die sie brauchen.
Amen