Eine Stimme ist in Rama zu hören,
ein Wehgesang, ein Weinen der Bitternis.
Rachel verweint sich um ihre Kinder,
weigert, sich trösten zu lassen
um ihre Kinder, ach, keiner ist da!
(Jeremia 31,15)
Rachels Stimme ist die Stimme der Urmutter. Sie erhebt ihre untröstliche Klage aus dem Grab, aus einer vergangenen Zeit. Die Kinder, um die sie weint, sind Kriegsopfer, die Täter anonyme Soldaten. Ein spätes Echo ihres Wehgesangs wird beim Evangelisten Matthäus zu vernehmen sein. Er beklagt damit die Kinder, die dem politischen Kalkül des Marionettenkönigs Herodes zum Opfer gefallen sind.
Rachels Klage umfasst das Furchtbare und weitet sich ins Unermessliche, zeitlich und örtlich. Sogar uns erfasst sie noch, denn auch wir ahnen, was es heisst, wenn Kinder durch Gewalt sterben müssen.
Vor Kurzem ist in Deutschland ein zwölfjähriges Kind getötet worden, ein Mädchen, Luise. Die Täter waren keine Soldaten und keine Tyrannen, sondern selber Kinder, kaum älter als das Opfer.
Neben die Klage um das verlorene Leben von Luise tritt die Klage um das verlorene Leben der kindlichen Täterinnen. Rachel hat recht, wenn sie sich nicht trösten lassen will.
Ist auf immer für die Armen
denn zu Ende dein Erbarmen?
Ist dein Bund mit Kindeskind
hingefallen so geschwind?
(Kirchengesangbuch Nr. 46)
Hansueli Hauenstein