Da spricht Jesus zu ihnen: Meine Zeit ist noch nicht da, eure Zeit aber ist stets bereit. (Johannes 7,6)
Wir belauschen hier ein Gespräch zwischen Jesus und seinen Brüdern. Der Evangelist Johannes lässt uns daran teilhaben und macht uns so zu «Ohrenzeugen». Zugleich nehmen wir die Rolle der Brüder ein. Sie wollen das schwarze Schaf der Familie davon überzeugen, seine Wundertaten doch gefälligst in der Öffentlichkeit zu vollbringen.
«Niemand wirkt im Verborgenen, wenn er öffentlich bekannt sein möchte», ermahnen sie ihren Bruder. Das ist die Stimme des gesunden Menschenverstands – und wer weiss, vielleicht fällt so ja auch ein bisschen Licht auf ihr eigenes trübes Dasein. Aber Jesus lehnt ab, nicht nur, weil er sich in der Öffentlichkeit in Lebensgefahr begäbe, sondern weil, wie er sagt, seine Zeit für ihn «noch nicht da» ist.
Johannes verwendet hier das Wort für «da sein», das uns letzte Woche schon im Gespräch zwischen Jesus und Martha begegnet ist. Es wird später mit der Vorstellung verknüpft werden, dass Jesus nach seiner Ermordung wieder kommen, wieder «da sein» wird. Als Christus wird er eine neue, erlöste Welt mit sich bringen.
Aber soweit ist es noch nicht. Was vorläufig da ist, ist Lebensgefahr ringsum. Ja, der Wunsch der Brüder ist begreiflich. Auch wir wünschen uns die Wunderkraft eines märchenhaften, wunderbaren weisen und gerechten Königs. Aber seine Zeit ist noch nicht da. Bis sie kommt, sind wir auf uns selbst angewiesen. Für uns steht die Zeit stets bereit, eigene Wunder zu vollbringen.
Lass uns dich nicht draussen stehn,
warten nicht vergebens.
(Kirchengesangbuch Nr. 374)
Hansueli Hauenstein