Glücklich sind die, die Hunger und Durst haben nach der Gerechtigkeit, denn sie werden gesättigt werden. (Matthäus 5,6)
Wie fühlt es sich an, Gerechtigkeit bis zur Sättigung zu essen oder zu trinken?
Das Gefühl, satt zu sein, ist beruhigend, stillend, wohlig: ein Gleichgewicht zwischen Mangel und Überfluss. Der hungrig-durstige Säugling trinkt bis zum Sattsein. Dann schläft er ein, selig lächelnd, wie Christian Morgenstern dichtete.
Selig lächelnd: vielleicht müssen wir uns so die Menschen vorstellen, deren Hunger und Durst nach Gerechtigkeit endlich gestillt wird. Die Frage ist nur, was diese «Gerechtigkeit» genau sein soll.
Wir sollten da nicht allzu philosophisch werden. Angesichts einer guten halben Milliarde hungernder Menschen weltweit ist Gerechtigkeit vielleicht einfach ein Stück Brot, eine Schale Reis, ein Glas sauberes Wasser. Alles andere kommt dann dazu: politische Integrität, wirtschaftliche Fairness, juristische Korrektheit, religiöse Toleranz.
In all dem erfüllt sich zusammenfassend das, was die Bibel unter der göttlichen Gerechtigkeit versteht: ein Leben, in dem körperliche, geistige, seelische und soziale Bedürfnisse in ein seliges Lächeln münden.
Hungrigen will er zur Speis bescheiden,
was ihnen dient zur Lebenskraft;
die hart Gebundnen macht er frei:
Gnade verleiht er mancherlei.
(Kirchengesangbuch Nr. 99)
Hansueli Hauenstein