Und er tat seinen Mund auf und lehrte sie. (Matthäus 5,2)
Nachdem Jesus seinen Mund aufgetan hat, erklärt er Menschen für «glücklich», von denen man ein solches Befinden kaum annehmen möchte: Trauernde und Bedrängte. Glücklich ist ausserdem, wer die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen hat, wer den eigenen Zorn zügelt, wer nach Gerechtigkeit verlangt, wer sich von fremdem Leiden anrühren lässt, wer aufrichtig denken kann und wer sich für Frieden einsetzt.
Jede dieser Verhaltensweisen – ich habe sie in meiner eigenen Sprache beschrieben – wäre einen eigenen Beitrag wert. Aber beginnen wir mit dem Glück.
Das Wort, das Matthäus hier verwendet, wurde in der Antike hauptsächlich auf Göttinnen und Götter bezogen: sie sind «glücklich» oder «selig», ganz aufgehoben in ihrer himmlischen Geborgenheit, ganz versunken in einer Welt, die nur ihnen gehört, frei von irdischen Zwängen und Lasten.
Dieses Glück erlebe ich dann, wenn ich mich vergessen kann in einem Tun oder Nicht-Tun, im zweckfreien, geschenkten Genuss, im Widerfahrnis des Geliebtseins.
Dass ich auch dann im Glück sein soll, wenn Trauer oder Bedrängnis oder schwere Zweifel mir alles eigene rauben oder wenn ich mich selbst verliere in der Sorge um anderes Leben: das ist eine Zumutung.
Aber vielleicht sind die «Seligpreisungen» genau das.
Komm, mach ein selig Ende
mit meiner Wanderschaft,
und was mich kränkt, das wende
durch deines Armes Kraft.
(Kirchengesangbuch Nr. 753)
Hansueli Hauenstein