Wer also auch nur eines dieser Gebote auflöst, und sei es das kleinste, und die Leute so lehrt, der wird der Kleinste sein im Himmelreich. Wer sie aber tut und lehrt, der wird gross sein im Himmelreich. (Matthäus 5,19)
Wir Reformierten haben in der Tendenz ein problematisches Verhältnis zu religiösen Vorschriften. «Selber denken – die Reformierten» lautete vor einigen Jahren ein Werbeslogan. Wir möchten gerne – im Minimum – die alten Weisungen gemäss unseren Lebensumständen interpretieren oder gegebenenfalls auch ganz aufheben.
Da erweist sich dieser Ausspruch Jesu doch eher als Herausforderung. Er hält fest, dass für Jesus die alttestamentlichen Gebote ihre Gültigkeit nicht verloren hatten, wie die Christen später oft dachten.
Aber auch Jesus hat interpretiert und nicht alles Althergebrachte einfach sang- und klanglos übernommen. Er hat zum Beispiel ziemlich konsequent das Wohl der Menschen vor das sture Befolgen des Buchstabens gestellt. Aber wie fest auch immer wir heute neu interpretieren, etwas ist uns mit diesem Vers definitiv verwehrt: Wir können uns nicht lösen vom Alten Testament und unseren gemeinsamen Wurzeln mit dem Judentum. Wir würden uns damit gleichzeitig auch von Jesus als Lehrer und Meister lösen.
Weise mir, Herr, den Weg deiner Gebote,
und ich will ihn beachten bis ans Ende.
Gib mir Einsicht, und ich will deine Weisung befolgen
und sie halten von ganzem Herzen.
(Psalm 119,33+34)
Michael Rahn Pfarrer