Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?
(Johannes 1,46)
Wer als Autofahrer mit einer AG-Nummer unterwegs ist, braucht in gewissen Nachbarkantonen für Spott und Häme nicht zu sorgen. Ich meinerseits pflege meine eigenen Ressentiments, nämlich gegen die arroganten Schwyzer, Zuger und Zürcher und insbesondere gegen deren neureiche Angeberei (SZ), hochnäsige Überheblichkeit (ZG) und herablassende Grossspurigkeit (ZH). Manchmal dünkt mich, da müsse das Schluss-Z am Schild irgendwie kompensiert werden. Wenigstens dieses Problem haben wir Aargauer*innen ja nicht.
Derartige Vorurteile, so kleinlich und billig sie sein mögen, sind offensichtlich auch ganz unvermeidlich. Als Natanaël von seinem Kumpanen Philippus erfährt, bei Jesus handle es sich um den Mann, der in den alten Schriften schon verheissen worden sei, reagiert der skeptisch: «Kann aus Nazareth etwas Gutes kommen?» Wer mit einem Kennzeichen aus dem Norden (Nazareth, auch eine Z-Nummer) unterwegs ist, kann im Süden (Betsaida, wo die Geschichte spielt) kaum auf Beifall hoffen.
Jesus durchschaut die Fassade auf verblüffende Weise. Als Natanaël ihm nämlich später persönlich begegnet, begrüsst er ihn mit den Worten: «Schau mal, ein Mann aus Israel, an dem nichts Hinterhältiges ist». Das ist ebenso entlarvend wie entwaffnend – auf beiden Seiten! – und der folgende Dialog zeigt, wie aus Klischees Nähe entsteht.
Vielleicht muss ich bezüglich SZ, ZG und ZH noch einmal über die Bücher.
Alles, was das Leben tötet, stelle unter deinen Bann:
Stolz auf Stellung, Farbe, Klasse, Lehren gegen deinen Plan.
(Kirchengesangbuch Nr. 834)
Hansueli Hauenstein