In seine Hand nahm er das Feuer und das Messer.
Und sie gingen beide miteinander.
(Genesis 22,6)
Täglich liegt es auf dem Tisch und bei vielen Männern steckt es im Hosensack. In der einen oder anderen Form gehört es zum Grundbestandteil von Werkzeugen und Maschinen, die zerschneiden, trennen, schälen oder zuspitzen. Zudem ist es der wohl älteste Zeuge menschlicher Kultur überhaupt: das Messer.
In der Bibel erscheint es zum ersten Mal, als ein Vater und ein Sohn gemeinsam unterwegs sind. Abraham, der Vater, nimmt es mit auf eine Wanderung, zusammen mit seinem Sohn Isaak und einem vielleicht noch älteren Kulturzeugen, dem Feuer. Das Messer soll hier, wie sonst, trennen, was zusammengehört.
Diesmal sind es zwei Menschen, die «beide miteinander» unzertrennlich wirken. Das Messer soll dem ein Ende bereiten, die enge Bindung einschneidend verändern, ein Leben so verletzen, dass ein Vater nicht nur ein Kind, sondern auch sich selber verliert.
Was als erstes und wichtigstes Zeichen humaner Zivilisation gilt, wird unter der Hand zum Mordwerkzeug. Hier zeigt sich beispielhaft die Ambivalenz, mit der die Bibel kulturellen Errungenschaften begegnet. Menschen sind nicht und waren nie Herren und Herrinnen ihrer Werkzeuge, Maschinen und Waffen.
Die Profeten ahnen später, wie eine Weiterentwicklung des Messers, das Schwert, sich wieder verwandeln könnte: vom mörderischen Hau- und Stechinstrument zurück zum zivilen Werkzeug, zum Winzermesser.
Noch vorher erkennt Abraham seine Verblendung. Eine göttliche Stimme hindert ihn daran, mit dem Leben seines Sohnes auch das eigene zu opfern.
Kein Brennen, Hauen, Stechen / soll trennen mich und dich.
Kein Hunger und kein Dürsten, / kein Armut, keine Pein,
kein Zorn der grossen Fürsten / soll mir ein Hindrung sein.
(Kirchengesangbuch Nr. 656)
Hansueli Hauenstein