Wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das Haus und sucht sorgfältig, bis sie die Drachme findet? (Lukas 15,8)
In der Antike, also auch in der Zeit, aus der unser kleiner Text stammt, waren Drachmen ein übliches Zahlungsmittel. Heute gibt es sie nicht mehr. 2001 war im Rahmen der europäischen Währungsreform auch in Griechenland Schluss damit. Deshalb gibt es auch keine Drachmen mehr, die im Haus verloren gehen könnten. Hingegen gehen dort mit seltsamer Häufigkeit andere Dinge verloren. Zum Beispiel Socken.
Es gehört zu den Mysterien des Haushaltens, wo, wie und wann genau Socken, die vorher noch friedlich vereint zwei Füsse zierten, auf einmal getrennte Wege gehen können, der eine in die Waschmaschine und der andere in ein Niemandsland, aus dem es offenbar kein Zurück mehr gibt. Nicht einmal Lampe und Besen helfen da.
Das ist ärgerlich, zumal auch der verbleibende Socken damit unbrauchbar wird, aber mit der Zeit wird der Verlust vielleicht so alltäglich, dass auch Jesus nichts davon erzählen mochte und die Drachme vorzog.
Eine andere Erklärung für das Verlorengehen von Socken in der Bibel wäre, dass sie in alttestamentlicher Zeit zu der Ausrüstung feindlicher assyrischer Soldaten gehört hatten und deshalb in den Texten boykottiert wurden. Aus dem Sinn waren sie damit noch nicht, aber immerhin aus den Augen.
Es gibt also Dinge, die getrost verloren gehen können und sollen. Uniformteile gehören dazu, Drachmen nicht, und bei meinen Socken bin ich mir auf einmal nicht mehr sicher.
Mit unsrer Macht ist nichts getan,
wir sind gar bald verloren.
(Kirchengesangbuch Nr. 32)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer