Da öffnete der Ewige der Eselin den Mund und die Eselin sagte zu Bileam: Was habe ich dir getan, dass du mich jetzt schon zum dritten Mal schlägst? (4. Mose 22,28)
Auch wenn die sogenannt Bibeltreuen es nicht gerne sehen und natürlich allerlei Ausreden haben: dass ein Tier sich mit einem Menschen in dessen Sprache unterhält, hat märchenhafte Züge, göttliche Inspiration hin oder her.
Aber lassen wir die Polemik. Interessanter ist die Frage, ob Tiere in ihrer eigenen Sprache so sprechen können, dass wir es verstehen. Alle Tiernarren mögen das Gähnen jetzt unterdrücken. Ich höre sie schon: Was für eine Frage! Und die soll interessant sein? Selbstverständlich sprechen Katze Kitty und Hund Hasso mit mir – mit jedem Blick, jedem Schwanzwedeln!
Zugegeben – nur: Blicke sind zwar ein Ausdruck von Befinden, aber deshalb noch lange keine Sprache. Dafür braucht es mehr, nämlich Wörter, die auf verschiedene Weise und unabhängig von den äusseren Umständen nach bestimmten Regeln angeordnet werden können. Deshalb wird Katze Kitty nie in der Lage sein, ein Wort zum Tag zu schreiben (obschon sie wahrscheinlich mindestens so viel zu sagen hätte wie ich).
Neuere Forschungen zeigen allerdings: Tiere, zum Beispiel Meisen oder Wale, kennen «Wörter», mit denen sie «Sätze» bilden können. Sie sprechen im eigentlichen Sinn, wenn auch in einer Fremdsprache, was unser Verstehen angeht.
Schon nur deshalb wird es sich auch in Zukunft lohnen, Bileams Eselin und allen ihren tierischen Verwandten (zu denen auch wir zählen) aufmerksam zuzuhören, anstatt sie zu schlagen, zu töten oder gar aufzuessen.
Gottes Geschöpfe, kommt zu Hauf,
lasst brausen hoch zum Himmel auf!
(Kirchengesangbuch Nr. 526)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer