Eine Zeit zum Töten und eine Zeit zum Heilen,
eine Zeit zum Niederreissen und eine Zeit zum Bauen.
(Prediger 3,3)
Alles habe seine bestimmte Zeit, meint der Prediger, dessen melancholische Gedanken uns in der Bibel begegnen. Von Ewigkeit festgesetzt seien die Ordnungen des Geschehens, die menschliches Leben prägen: Gebären und Sterben, Weinen und Lachen, Krieg und Frieden. Ist das tröstlich?
Generationen von Lesenden haben im Gedanken, dass ihr Erleben nicht willkürlich und zufällig ist, sondern einem göttlichen Plan folgt, tatsächlich Trost gefunden und Hoffnung daraus geschöpft. Wenn das Töten seinen bestimmten Ort in der Zeit hat, wird auch das Heilen nicht ausbleiben.
Kürzlich wurde an meinem Wohnort Sins eine ganze Häuserzeile niedergerissen: Wohnhäuser, Gewerbegebäude, ein Laden wohl aus den Fünfzigerjahren mit seiner charakteristischen Architektur. Gefrässig wirkende monströse Maschinen zerlegten die Gebäude Stockwerk für Stockwerk, Wand für Wand. Von den Hüllen, die Raum und Schutz geboten hatten für gelebtes Leben, für Arbeit und Liebe, Schweigen und Reden, bleiben noch Trümmerhaufen, die bald abgeräumt sein und neuen Bauwerken weichen werden.
Es ist seltsam: Der Gedanke, dass zu seiner Zeit neues Leben am alten, niedergerissenen Ort einziehen wird und die Narben heilen werden, hat etwas Tröstliches. Aber er mindert nicht die Melancholie des Vergehens.
Wir wären wie brüchige Wände, / zerberstend im nächtlichen Sturm,
wenn heute in Gott sich nicht fände / Geborgenheit, Tore und Turm.
(Kirchengesangbuch Nr. 39)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer