In dieser Nacht konnte König Artaxerxes nicht schlafen. Schliesslich befahl er, ihm das Buch der Denkwürdigkeiten zu bringen: Die Chronik, in der amtlich aufgeschrieben war, was am Hof des Königs geschah. Daraus wurde dem König vorgelesen. Man kam zu einer Stelle, die berichtete, wie Mordechai zwei königliche Hofbeamte angezeigt hatte. Sie hatten geplant, König Artaxerxes umzubringen. (Esther 6,1-2)
Wie das Sprichwort weiss, haben Bücher ihre Schicksale. Aber das ist – was bei einem Sprichwort wenig wundert – im besten Fall nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte besteht darin, dass Bücher sich mit Schicksalen verweben; mit Menschengeschichten und -geschicken also.
Artaxerxes, der persische Grosskönig, leidet unter Schlaflosigkeit. Um sich die Zeit zu vertreiben und um die Schläfrigkeit zu steigern (ein Schelm, wer Böses dabei denkt), lässt er sich seine Hofchronik kommen und daraus vorlesen. So erfährt er von einem geplanten Attentat und dessen Verhinderung durch den getreuen Juden Mordechai. Dann nimmt das Schicksal seinen Lauf.
Was im Buch zu lesen ist, wird Teil meiner selbst – und umgekehrt. Literatur ist mehr als Gutenachtlektüre und Zeitvertreib für Schöngeister. Lesen und Gelesenes sind ebenso Leben wie die Lesenden. Darin liegt das Geheimnis biblischer Bücher, ja von Büchern überhaupt.
Alles ist eitel, du aber bleibst
und wen du ins Buch des Lebens schreibst.
(Kirchengesangbuch Nr. 859)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer