In Antiochia wurden die Jünger zum ersten Mal «Christen» genannt.
(Apostelgeschichte 11,26)
Kürzlich unterhielt ich mich mit jungen Menschen, die keiner Kirche angehören, also sogenannt konfessionslos sind. Über diesen Begriff würde es sich lohnen, noch etwas nachzudenken. Aber das ist heute nicht mein Thema. Interessant fand ich, wie diese Schweizer Jugendlichen mit grosser Selbstverständlichkeit von «den Christen» redeten, wenn sie Menschen meinten, die bei uns einer Kirche angehören.
Noch interessanter fand ich dann, dass ich diese Bezeichnung interessant fand. Wieso fiel sie mir auf? Ich brauche selber ja auch Bezeichnungen wie «Jüdinnen», «Muslime» oder «Hindu». Wieso also stutze ich, wenn ich mich selber auf einmal unter einem vergleichbaren Begriff wiederfinden soll?
Zwei mögliche Gründe kommen mir in den Sinn: Erstens fühle ich mich mit dieser Schubladisierung in eine Ecke gedrängt, in der ich auf keinen Fall stehen möchte. Wenn ich mir anschaue, mit welchen Absurditäten sich selbstdeklarierte, fundamentalistische «Christinnen» und «Christen» gegenwärtig zu Wort melden, vergeht mir die Lust, da mitgemeint zu sein. Zweitens irritiert es mich, dass etwas bisher Selbstverständliches – Christsein in der Schweiz – auf einmal ein Sonderfall neben anderen sein soll.
Zum ersten Grund kann ich gut stehen: nein, in gewissem Sinn bin ich eindeutig kein «Christ» und möchte auch nicht so bezeichnet werden. Der zweite Grund beschämt mich, denn ja, ich sollte heute tatsächlich darüber nachdenken und begründen können, was Christsein für mich heisst.
Schade, kann ich die Leute im Antiochia des ersten Jahrhunderts nicht mehr fragen, wie sie mit dem Etikett «Christen» (und «Christinnen») umgegangen sind. Vielleicht könnte ich von ihnen etwas lernen.
He made me a watchman upon the city wall,
and if I am a Christian, I am the least of all.
(Kirchengesangbuch Nr. 431)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer