Sorgt euch also nicht um den morgigen Tag, denn der morgige Tag wird für sich selber sorgen.
(Matthäus 6,34)
Karl Rudolf Hagenbach (1801-1874) lebte und lehrte als Theologe in Basel. Er entstammte dem Basler «Taigg», war hochgeehrter Professor an der Universität, Schüler des grossen Friedrich Schleiermacher, Mitbegründer des «Protestantisch-kirchlichen Hülfsvereins», von dem auch unsere Gemeinde in ihren Anfängen sehr profitierte, ein begabter Poet und langjähriger Briefpartner von Jeremias Gotthelf. In den Grabenkämpfen zwischen theologisch Liberalen und Orthodoxen (oder Rationalisten und Supranaturalisten, wie das damals hiess) versuchte er mit Mass, Milde und Mutterwitz zu vermitteln. Seinen Verstand und sein Wissen wollte er keinem Glaubensdiktat opfern, aber das trockene Vernünfteln missfiel ihm ebenso.
Heute ist Hagenbach fast völlig vergessen. Leider. Die beiden einzigen Liedtexte, die von ihm im früheren Gesangbuch noch zu lesen waren, sind getilgt worden. Eines davon beginnt mit den Versen «Stillehalten deinem Walten, / stillehalten deiner Zucht, / deiner Liebe stillehalten, / die von je mein Heil gesucht». Die «Zucht» darin lässt mich zusammenzucken, und die duldsame Schicksalsergebenheit, die das ganze Lied durchzieht, steht in Gefahr, einen zur Weissglut zu treiben.
Und doch, und doch: ich lese weiter. «Ward es anders auch gewendet, / gings’s durch banges Dunkel oft, / immer hat es gut geendet, / besser, als ich je gehofft; / besser, als bei Tag und Nacht / ich’s im Herzen ausgedacht.» Mit Blick auf unsere Welt, auch die gegenwärtige, ist das «immer hat es gut geendet» kaum mehr als eine optimistische Lüge. Und doch entspricht es einer Erfahrung, die ich zutiefst teile, und viele von Ihnen vielleicht auch, wenn wir auf unser Leben zurückblicken und auf die schlaflosen Nächte, die der Erlösung vorausgingen.
Du, o Herr, gibst Kraft den Deinen
und den Schwachen allermeist.
(Kirchengesangbuch von 1952, Nr. 291)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer