Aber ein Nebel stieg auf von der Erde und feuchtete alles Land. Da machte Gott, der Ewige, den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase. Und so ward der Mensch ein lebendiges Wesen. (Genesis 2,6-7)
Er ist vor mir und hinter mir, umgibt mich von allen Seiten, und wenn ich einatme, füllt er meine Lungen mit seiner kühlen, wohltuenden Feuchtigkeit. Von Kindheit an ist er mir vertraut. An der Aare aufgewachsen, war er immer schon ein Teil meiner Welt. Aus dem bewegten, vom Ursprung zum Ziel rinnenden Fluss stieg er bedächtig auf, und jetzt, an der Reuss, habe ich ihn wiedergefunden, den alten Freund.
Ja, er macht die Dinge und Gestalten freundlich und hält sie auf Distanz. Anders als das grelle Licht der Sonne überlässt er die Welt sich selbst. Nicht alles muss ausgeleuchtet und aufgeklärt werden. Manches ist besser zu verstehen, wenn es seine Konturen in einem besänftigenden Schleier verliert.
Die Farben sind nur noch zu erahnen. Aber ich weiss ja, dass sie da sind, auch wenn ich sie nicht in aller Deutlichkeit sehe. Und ihren Ursprung haben sie ja sowieso in meinem Kopf, nicht dort draussen. Es ist mein Geist, der sie erschafft. Er aber lässt sie ruhen.
Einmal, im herbstlichen Burgund, habe ich mich in ihm verirrt. Ich dachte, das sei nur in Geschichten möglich, dieses dichte Umhülltsein, das einem die Orientierung raubt. Und dann fand ich doch den Weg nicht mehr zurück, stolperte von Baum zu Baum – «seltsam, im Nebel zu wandern» – und hörte endlich, von ihm gedämpft, die Stimmen, die mich zurückriefen.
Er hat kein Ziel, keinen gerichteten Sinn, und man kann ihn vorwärts oder rückwärts lesen, den Nebel. Versuchen Sie es, und lesen Sie den Text dann noch einmal.
Wie ein Nebel bald entstehet
und auch wieder bald vergehet,
so ist unser Leben, sehet.
(Kirchengesangbuch Nr. 751)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer