Wie im Wasser das Angesicht entgegen dem Angesicht,
so das Herz des Menschen entgegen dem Menschen.
(Sprüche 27,19)
«Grüezi» – «Händ Si d Cumulus-Charte?» – «Nüünezwängdriissg» – «Nänd Si d Märkli? Beidi?» – «Uf Widerluege und e schöne Tag!» – «Grüezi … »
Es müssen täglich ein paar Hundertmal sein, dass an einer einzigen Supermarkt-Kasse diese Worte fallen. Für den Kunden ist die Kassierin vielleicht die einzige Begegnung des Tages; für sie ist er einer unter (zu) vielen.
Wie ist es möglich, frage ich mich, dabei immer noch höflich und herzlich zu bleiben? Wie kann man ohne mit der Miene zu zucken die siebenundzwanzigste Banane abwiegen gehen, weil der Kunde es vergessen hat? Wie behält man all die Preise im Kopf, die nirgends angeschriebenen sind, für den Knoblauch, für das Weggli? Wie erträgt man stundenlang das lästige Piepen des Scanners, die genervten Kontrollblicke der Kundinnen, ihren rechthaberischen Triumph, wenn ein Fehler passiert ist? Und was ist mit dem Rückenweh, den schweren Armen und den müden Augen, was mit den Gedanken, in die Superkarten, Märkli und Schönentagwünsche sich einnisten wie Albträume?
Kürzlich traf ich auf eine Kassierin, die mir nur müde und etwas unwillig zunickte, wortlos meine brav hingestreckte Karte entgegennahm und mich mit einem Blick verabschiedete, der ungefähr «schon ok, geh jetzt» bedeutete. Vielleicht hatte sie es mir angesehen: es war für mich wie eine Erlösung.
Was, wenn Gott eine Kassierin wäre?
Hansueli Hauenstein