Jesus blickte umher, um die zu sehen, die ihn berührt hatte. (Markus 5,32)
Wer immer der «Markus» war, dem wir eine der Guten Botschaften verdanken: er war ein wortkarger Mensch. Seine Darstellung vom Leben und Sterben des Jesus von Nazareth ist von den uns erhaltenen die Kürzeste. Vieles, was ihm wichtig zu sein scheint, steht eher zwischen als in den Zeilen, und seine Erzählung endet im Schweigen.
Deshalb lohnt es sich, seine Wörter mit Bedacht anzuschauen, zum Beispiel das Wort, das «etwas mit Bedacht anschauen» bedeutet. Häufig wird es mit einem einfachen «sehen» übersetzt, steht aber auch für ein aufmerksames Achtgeben, ein wachsames Hinschauen, ein vorsichtiges Betrachten.
Markus verwendet es, gemessen am Umfang seines Texts, weitaus am häufigsten von allen Evangelisten. Das passt. Denn wer genau hinschaut, wird vorsichtig sein mit dem Herausposaunen von Behauptungen und Meinungen.
Viermal – und als einziger – verwendet Markus zudem eine Erweiterung dieses Wortes, das dann den Sinn von «sich aufmerksam umschauen», «umsichtig wahrnehmen» bekommt. Markus bezieht es ausschliesslich auf Jesus: einmal, als dieser mit zunehmender Wut Leute mustert, die angesichts einer bevorstehenden Heilung in stummen Trotz verfallen; einmal, als er Fremde betrachtet und diese dann seine Geschwister nennt; einmal, bevor er in der Volksmenge eine schwer leidende Frau erblickt, die Heilung sucht; und einmal, als er Reichen ansieht, wie schwer sie es haben, in der Gegenwart Gottes zu leben.
Durch dieses schweigende Ringsherumschauen des Christus schafft Markus Augenblicke der gespannten Ruhe, des umsichtigen und kritischen Wahrnehmens, und vielleicht liegt gerade darin seine gute Botschaft.
Schaue, baue,
was zerrissen und beflissen
dich zu schauen
und auf deinen Trost zu bauen.
(Kirchengesangbuch Nr. 504)
Hansueli Hauenstein