Ja, siehe, ich erschaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. (Jesaja 65,17)
«Perspektiven statt Utopien» lese ich auf einem der Wahlplakate, die gegenwärtig unsere Strassenränder zieren. Das macht wenig Sinn. Denn ohne Utopien lassen sich gar keine Perspektiven entwickeln, sondern, wie das Beispiel zeigt, allenfalls stereotype Schlagworte.
Das Wort «Perspektive» bedeutet Durchblick. In der Kunst wird es für bildliche Darstellungen gebraucht, die unser eigenes Sehen realistisch wiedergeben. Wir sehen Gegenstände in einer Fluchtlinie; sie verkleinern sich, je weiter wir uns von ihnen entfernen.
Am Horizont unseres Sehens befindet sich der Fluchtpunkt. Auf ihn sind perspektivische Darstellungen hingeordnet. Dieser Punkt selbst entzieht sich unserer Wahrnehmung – er ist ein Nichtort, ein Un-Ort oder, mit dem Fremdwort, eine Utopie.
Wenn Jesaja und andere Propheten von einem utopischen neuen Himmel und einer utopischen neuen Erde sprechen, die Gott schaffen will, geben sie damit unserem In-der-Welt-Sein eine Richtung, eine Orientierung, eine Perspektive. Ohne solche Fluchtpunkte könnten wir uns kaum in unserer Realität orientieren. Sie sind die Quellen einer für uns sinnvoll geordneten Welt.
Zum Glück gehorchen auch Wahlplakate dem perspektivischen Gesetz: Sie verschwinden mit zunehmendem Abstand. Das öffnet den Blick auf wirklich Neues. Hoffentlich.
Ich schau nach jenen Bergen fern.
Mein Heil, das ich begehr,
von wannen kommt es her?
(Kirchengesangbuch Nr. 78)
Hansueli Hauenstein