Oder jene achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und sie tötete: meint ihr, dass sie mehr als alle Menschen, die in Jerusalem wohnen, Schuldner waren? Nein, sage ich euch, sondern wenn ihr nicht euren Sinn ändert, werdet ihr alle ebenso umkommen. (Lukas 13,4-5)
Katastrophen ziehen die Frage nach Schuldigen nach sich wie der Blitz den Donner. Vor allem in einer Zeit und an einem Ort, wo Sicherheit zur tragenden Wahlfloskel geworden ist, wird schnell der Ruf nach den Verursachern laut, wenn scheinbar fremde Mächte das Leben bedrohen.
Die wahre Ursache für den Einsturz des Turmes am Rand von Jerusalem, von dem Jesus redet, bleibt bis heute im Dunkeln und damit auch der Grund für die Toten, die dieser Einsturz forderte. Trotzdem sind die Beobachtenden mit Erklärungen schnell zur Hand: sie finden die Schuld bei den Opfern, die – wie auch immer – anders seien als sie selbst, ungenügend, defizitär.
Jesus widerspricht dem in seiner heftigen, groben Art, indem er den Spiess umdreht. Das Defizit liegt im Denken derer, die meinen, sie entkämen der Katastrophe, wenn sie nach Schuldigen suchen. Das eigentliche Unglück, das Leben zerstört, liegt gerade in diesem unberührt-distanzierten Blick auf die anderen.
O Herr, nimm unsre Schuld,
die Dinge, die uns binden,
und hilf, dass wir durch dich
den Weg zum Andern finden.
(Kirchengesangbuch Nr. 212)
Hansueli Hauenstein