Und es geschah in den Tagen Amrafels, des Königs von Schinar, Ariochs, des Königs von Ellasar, Kedor-Laomers, des Königs von Elam, und Tidals, des Königs der Fremdvölker, dass sie Krieg führten mit Bera, dem König von Sodom, und mit Birscha, dem König von Gomorra, Schinab, dem König von Adma, und Schemeber, dem König von Zebojim, und mit dem König von Bela, das jetzt Zoar heisst. Alle diese verbündeten sich und kamen in das Siddimtal. Das ist jetzt das Salzmeer. (1. Buch Mose 14,2-3)
Auf der Suche nach der frühesten Erwähnung von Kriegshandlungen in der Bibel gelange ich zu Abraham. Zwischen den Hirten seiner Herden und den Hirten der Herden seines Neffen Lot entsteht Streit um Weideland. Der Konflikt wird gütlich beigelegt, indem Abraham dem Jüngeren die Wahl lässt: «Wir sind doch Brüder. Liegt nicht das ganze Land vor dir? Trenn dich also von mir!»
Das ist biblische Weisheit in reiner Form. Kurz darauf folgt die Schilderung eines eigentlichen Krieges, der zwischen zwei Koalitionen verfeindeter Länder ausbricht. Ursache ist der Bruch eines Untertanenverhältnisses – eine Revolution: Der König von Sodom und seine Verbündeten rebellieren gegen Amrafel und die Seinen. Die Aufständischen werden vernichtend geschlagen. Abraham ist nur insofern an den Kampfhandlungen beteiligt, als er Lot aus den Händen der fliehenden Verlierer befreit.
Hier haben wir es: Grossmachtpolitik, Herrschaftsrivalitäten, Koalitionsbildungen. Daran hat sich bis heute wenig geändert. Kriegsentscheidend sind dann letztlich allerdings nicht Rüstungsbeschaffung oder soldatisches Training, sondern die Geländebeschaffenheit: die Verlierer enden in den Asphaltgruben am Rand des Toten Meeres, das – oh schreckliche Ironie – zur Zeit der Berichterstattung bereits das Schlachtfeld überdeckt: Kriegsgeschichte endet im Leblosen.
Wer nach den eigentlichen Motiven dieser ersten Völkerschlacht fragt, bleibt ratlos. Über die Rebellion hinaus bleibt uns die Bibel eine Analyse schuldig. Wer mehr wissen will, muss rückwärts lesen: Die Bosheit des menschlichen Herzens, die in universaler Gewaltbereitschaft und -ausübung Gestalt annimmt, widersteht sogar der göttlichen Intervention der grossen Flut. Die kluge Brüderlichkeit Abrahams bleibt auf der Strecke.
Lösch du das böse Feuer
in unserm kranken Blut
und mach uns Christen treuer;
dein Volk braucht neuen Mut.
(Kirchengesangbuch Nr. 820)
Hansueli Hauenstein