Der Menschensohn hat nicht einmal einen Ort, wo sein Kopf zur Ruhe käme. (Matthäus 8,20)
Unterwegs in der Stadt sehe ich eine junge Frau asiatischer Herkunft. Mit schnellen, harten Schritten eilt sie zum Bahnhof. Ihr Gesicht ist versteinert, gesenkt, und unaufhörlich murmelt sie Worte vor sich hin. Mein Erstaunen erwidert sie mit misstrauischem Blick.
Auf der Fähre, die mich ans andere Ufer des Flusses bringt, sehe ich eine Trans-Frau mit wehmütigen Augen und der fahrigen Erschöpfung Drogenkonsumierender. Ihre Kleider sind abgetragen, aber sorgfältig aufeinander abgestimmt: verhaltenes Rosa und Violett. Ihre Stimme ist sanft.
Am Brückenkopf sehe ich einen übernächtigt wirkenden Mann unbestimmbaren Alters. Er sitzt am Wegrand und hat sich in eine Decke gehüllt, in der auch das Hündchen Platz hat, das auf seinem Schoss schläft. Seinen Blick hat er vor sich auf den Boden gerichtet: verhaltener Stolz und Trotz – Zeichen einer nicht zerstörbaren Würde.
Ich sehe und ich frage mich: wie einsam kann es werden, du?
Sei der Verlassnen Vater, der Irrenden Berater,
der Unversorgten Gabe, der Armen Gut und Habe.
(Kirchengesangbuch Nr. 548)
Hansueli Hauenstein