Und Gott, der Ewige, machte Adam und seiner Frau Gewänder aus Fell und bekleidete sie.
(Genesis 3,21)
Der erste nicht-natürliche Gegenstand in der Bibel ist ein Kleid, genauer eine Art Unterkleid, ein einfaches Gewand, das direkt auf der Haut getragen wird. Adam und Eva bekommen es von Gott, der es «gemacht» hat, ebenso wie er zuvor schon das Firmament, die Sonne, die Tiere und den Menschen selbst «gemacht» hat.
Mit anderen Worten: In der Schöpfungsgeschichte stehen Natur und Kultur gleicherweise als Produkte des göttlichen Wirkens nebeneinander. Das Ergebnis der Schneiderkunst unterscheidet sich in seiner Machart nicht von den Naturerscheinungen. Gott ist nicht nur der «Schöpfer» des Kosmos, als der «er» ja auch unter modernen Zeitgenossen noch durchgehen mag, sondern auch ein begabter Handwerker, der Ursprung aller Dinge, die Menschen selber herstellen müssen, weil sie weder auf Bäumen noch am Boden wachsen.
Dass Leute Kleider machen, ist selbstverständlich – dass umgekehrt Kleider uns Zweibeiner erst zu den Leuten machen, die wir tatsächlich sind, ist es weniger. Und dass Mode und Schneiderei wie Sonne und Mond ein göttliches Wirken spiegeln: wer müsste darüber nicht staunen?
Hansueli Hauenstein
PS (anstatt eines Gesangbuchverses) Ein Rabbi bestellt beim Schneider ein Paar Hosen. Als er es nach einem Monat endlich abholen kann, beschwert er sich: «Der Ewige, gelobt sei sein Name, hat in sechs Tagen die ganze Welt erschaffen – und du brauchst für ein einziges paar Hosen einen ganzen Monat?» «Schon», sagt der Schneider, «aber jetzt sehen Sie sich einmal die Welt an – und dann betrachten Sie diese Hose!»