Einige Juden nun antworteten und sprachen zu Jesus: Was für ein Zeichen zeigst du uns, dass du diese Dinge tust? Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab, und in drei Tagen werde ich ihn aufrichten. (Johannes 2,18-19)
Johannes pflegt und fördert wie fast immer das Missverständnis. Nachdem Jesus den Tempel in Jerusalem als «Räuberhöhle» diffamiert und von der Marktwirtschaft gesäubert hat, will er ihn auch noch abreissen lassen. Kein Wunder weckt das Fragen bei seinen Mitgläubigen. Und dass er das jüdische Zentralheiligtum dann auch noch eigenhändig und in kürzester Frist wieder aufrichten will, führt zum definitiven Kopfschütteln.
Nur: Jesus redet nicht von Steinquadern und Mörtel, sondern von seinem eigenen Körper. Der «Tempel» ist hier ein Bild für den Leib, für die belebte materielle Seite des menschlichen Daseins. Dieses – das weiss Jesus so gut wie wir – ist zerstörbar und sein Zerfall ist abzusehen. Umgekehrt ist menschliche Körperlichkeit aber auch nicht einfach naturgegeben. Sie unterliegt strengen sozialen Normen – und dem eigenen Willen. Auch wir konstruieren sie also andauernd.
Ausdruck davon sind die Tattoos, die hierzulande aufblühen wie Tulpen im Frühling: kaum ein Stück Haut, das davon verschont bliebe. Über den guten Geschmack mag man streiten. Ich frage mich nur, was so viele Menschen dazu führt, ihren eigenen Körper neu zu «errichten»: ist es die Angst vor seinem Untergang – oder vielleicht das Bedürfnis, wenigsten über den eigenen Körper zu verfügen, wenn sonst nichts mehr da ist, um es zu gestalten: Tattoos als Insignien der Auferstehung?
Der Leib eilt nun zur Ruhe,
legt ab das Kleid und Schuhe,
das Bild der Sterblichkeit;
die zieh ich aus; dagegen
wird Christus mir anlegen
den Rock der Ehr und Herrlichkeit.
(Kirchengesangbuch Nr. 594)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer