Sie steht auf, wenn es noch Nacht ist,
und bestimmt die Speise für ihr Haus
und das Tagewerk für ihre Mägde.
(Sprüche 31,15)
«Sie»: Das ist die Frau, die unermüdlich Gutes tut für die Menschen, die mit ihr leben, im Haus und darum herum. Im biblischen Buch der Sprüche wird ihre Arbeit beschrieben und gewürdigt. Sie webt und spinnt, stellt prächtige Kleider und Decken her, treibt Handel und Landwirtschaft, leitet den Haushalt, kümmert sich um Arme und Bedürftige – und um ihren Mann, der dafür dann stolz im Stadttor sitzen darf. Immer fröhlich ist sie, fleissig und vielgerühmt im Dorf und weit darüber hinaus: ein wahres Wunderwesen.
Dafür soll die tüchtige Hausfrau dann auch Anteil erhalten am Ertrag ihrer Hände, und ihre Werke sollen ihren Ruhm verkünden in den Toren, wie es später etwas gönnerhaft heisst. Das ist schön und lässt wohl auch heutige Hausfrauen noch ins Träumen geraten. Lohn und öffentliches Ansehen für Hausarbeit? Dafür sind wir auch zweieinhalbtausend Jahre später noch weit entfernt.
Die Aufzählung der Hausarbeiten, der wir in den Sprüchen begegnen, ist zudem unvollständig. Wischen, Waschen, Putzen zum Beispiel kommen nicht vor. Das liegt wohl daran, dass diese Arbeiten eher an Mägde delegiert wurden, von denen im Loblied ja auch die Rede ist, wenn auch – bezeichnender Weise? – nur sehr am Rand.
Zum alltäglichen Abwaschen, Wäschewaschen, Einkaufen, Kochen, Reinigen von Latrinen und Betreuen von Kindern hat auch die Bibel nicht allzu viel zu sagen. Dieses Loblied müssen wir also schon selber anstimmen, wenn es gehört werden soll.
Lass unser Werk geraten wohl, / was jeder heut ausrichten soll,
dass unser Arbeit, Müh und Fleiss / gereich zu dei’m Lob, Ehr und Preis.
(Kirchengesangbuch Nr. 562)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer