Die Einfältigen haben die Unwissenheit geerbt,
aber die Klugen schmücken sich mit Erkenntnis.
(Sprüche 14,18)
Der Spruch kommt reichlich selbstgefällig daher. Denn keine Frage: wer ihn geschrieben hat, würde sich selber kaum zu den Einfältigen zählen. Und schwingt im Gegensatz von ererbter Dummheit und selbsterworbener Weltoffenheit nicht das Managercredo mit, der eigene «Schmuck» beruhe ganz und gar auf eigener Leistung?
Aber bleiben wir bei der Bibel. Sie ist in vielem immer noch ehrlicher als Lehrbücher für den Weg zum Erfolg. Dass die Klugen sich mit Erkenntnis schmücken, ist auch deshalb interessant, weil das erste kluge biblische Wesen kein Mensch war, sondern ein Tier: die Schlange im Paradies.
Spätere Generationen haben sie verteufelt und ihr die Schuld für alles Unglück des Daseins zugeschrieben. Dabei war sie es ja, die verhinderte, dass unwissende Einfalt sich über das Paradies hinaus vererbte. Den Schmuck der Erkenntnis hat sie dann allerdings nicht selber getragen. Sie hat ihn den Menschenwesen überlassen, für die er oft schwer wiegt und eher Last und Leiden bedeutet als Lust und Lob.
Jesus muss das gewusst haben, als er uns aufforderte, klug wie die Schlangen zu sein. So wird auch der Mut zur (Selbst-)Erkenntnis rehabilitiert, der die Solidarität mit den Einfältigen einschliesst.
O Weisheit aus des Höchsten Mund,
die du umspannst des Weltalls Rund
und alles lenkst mit Kraft und Rat:
Komm, weise uns der Klugheit Pfad.
(Kirchengesangbuch Nr. 362)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer