Nun erging das Wort des Ewigen an Jeremia:
«Siehe, ich bin der Ewige, der Gott allen Fleisches.
Ist irgendetwas zu wunderbar für mich?»
(Jeremia 32,26-27)
«Fleisch» hat in der Bibel nur am Rand mit Steaks und Koteletts zu tun. Gemeint ist damit das, was lebt, in seiner materiellen Gestalt. Dazu gehören die Körper von Menschen und Tieren, aber auch all das, was ihr körperliches und seelisches Dasein in der Welt ausmacht: Besitz, Beziehungen, sozialer Status und Einfluss. Hätte Jeremia das Wort gekannt (und könnte «Gott» so geschwollen von sich selber reden), hätte er vielleicht vom «Gott der belebten Materie» gesprochen.
Wie auch immer: Dass «Gott» seine erste Beziehung zum Materiellen hat (und damit zum Begreifen, nicht zum Begrifflichen), ist für Jeremia selbstverständlich. Davon geht er aus. Zwischen unserer körperlich-dinglichen Welt, die Gefühle und Erfahrungen einschliesst, und dem Göttlichen gibt es keine Kluft.
Für Jeremia folgt aus dieser göttlichen Anwesenheit eine göttliche Lenkung: «Gott» greift in das Geschehen ein, das Menschen, Tiere und Dinge im Gang der Zeit in Bewegung hält und dem sie unterworfen sind. Er belebt nicht nur die Materie, er weist ihr auch eine Geschichte zu (in diesem Fall nicht zum Vorteil seiner Geschöpfe, übrigens).
Dieser Logik vom Kleinen zum Grossen kann man folgen oder nicht. Jeremia selbst beschreibt die aktive göttliche Gegenwart im Unterschied zur materiell vorfindlichen als «wunderbar». Der Gott des Fleisches ist eine Selbstverständlichkeit. Der Gott des Schicksals ist ein Wunder.
Was schliessen wir daraus für die «Auferstehung des Fleisches», diesem arg verdrängten, aber zentralen Teil unseres überlieferten Glaubens?
Dich wahren Gott ich finde / in meinem Fleisch und Blut;
darum ich fest mich binde / an dich, mein höchstes Gut.
(Kirchengesangbuch Nr. 398)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer