Er führet mich auf rechter Strasse um seines Namens willen. (Psalm 23,3)
Menschen, die einen Sinn für Sprachbilder haben und die das Göttliche gern im Weltlichen finden, reden manchmal von den «Spuren Gottes», die sie in, um und zwischen uns finden oder zu finden hoffen.
Diesen Spuren zu begegnen und sie zu lesen, verbinden sie mit Gefühlen der Ehrfurcht, des Staunens, vielleicht auch mit dem Glauben an eine weiter nicht beschreibbare «höhere Macht», deren Eindruck sie im Schönen, Guten und Wahren finden, das uns umgibt und erfüllt. In der Hohlform, der Matrix dieser Spuren ahnen wir das Göttliche, das sie geprägt hat.
Diese romantische Sicht auf die Welt kann uns trösten und tragen. Sie kann aber auch in Sentimentalität und trügerischen Kitsch münden. In der Bibel kommt das Bild der «Spur» vielleicht aus diesem Grund so nicht vor. Was uns dort an Spuren begegnet, ist die Wagenspur, der Eindruck, den ein Rad im weichen Boden hinterlässt. Sie verläuft klar, gerichtet und geradlinig und verbindet sich deshalb mit der Welt des Rechts, der Berechenbarkeit und der Gerechtigkeit.
Die «rechte Strasse», die Luther im Psalm vom guten Hirten gefunden hat, ist eigentlich die gerade Bahn des Rechts und des Verzichts auf Trug und Gewalt. Wer auf diese Weise geradlinig durchs Leben geht, folgt der göttlichen Spur: Du bahnst gerade die Spur der Gerechten, wie es beim Propheten Jesaja heisst. Das geht ganz ohne grosse Gefühle. Und es geht natürlich auch mit ihnen.
Lass uns ein neues Licht aufgehen, / zeig uns der Wahrheit Spur,
sprich, Herr, in Kraft und lass erstehen / die neue Kreatur.
(Kirchengesangbuch Nr. 549)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer