Ihr Schlangen! Ihr Otternbrut! Wie solltet ihr dem Gericht der Hölle entfliehen?
(Matthäus 23,33)
Wörter können verheerend sein, vor allem wenn sie als Bilder daherkommen. Wenn der Evangelist Matthäus seinen Jesus von «Schlangen» reden lässt, geht es nicht um harmlose Zoologie. Es ist unwichtig, ob Ottern oder Nattern gemeint sind oder Vipern, was dasselbe wie Ottern wäre. Es geht darum, Gegner als heimtückische Giftschlangen zu brandmarken und zu denunzieren.
Die Gegner sind in diesem Fall Schriftgelehrte, Angehörige einer Elite, denen wegen ihrer angeblichen Verlogenheit die Höllenstrafe angedroht wird. Ähnliche Töne sind heute aus den USA zu vernehmen, wenn politische Gegner als «Demorats» ins Tierreich verwiesen und mit apokalyptischen Strafen bedroht werden. Fundamentalistische Frömmigkeit trifft sich mit faschistischer Rhetorik. Der Erlöser erscheint dann – in einem anderen Bild – als «CHRISTrump».
Wir müssen aber nicht so weit gehen. Nicht nur Washington wird als «Sumpf» ausgegeben, den es trockenzulegen und von allerlei Unrat zu befreien gilt (politische Sprachbilder sind mangels Bildung selten konsequent). Vergleichbares ist heute im medialen Stammtischregister auch über «Bern» zu vernehmen oder über die Bedrohung durch allerlei «Ungeziefer», das Äpfel anknabbert, aber von mächtigen Eliten gehätschelt wird.
Matthäus hätte gut daran getan, seine Sprachkunst etwas zu zügeln. Die Empörung seines Helden ist nachvollziehbar. Seine Wörter sollten es nicht sein.
Wir alle sind ein heilger Stamm;
der Löwe spielet mit dem Lamm,
das Kind am Nest der Schlangen.
(Kirchengesangbuch Nr. 410)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer