Ein Ochse kennt seinen Besitzer und ein Esel die Krippe seines Herrn. Mein Volk aber hat keine Einsicht. (Jesaja 1,3)
Es dauerte lange, bis Ochse und Esel ihren Platz im weihnächtlichen Stall gefunden hatten. Die Evangelien wissen noch nichts davon. Erst die sogenannten Kirchenväter haben den beiden schwer schuftenden Tieren dann ein bisschen Ruhe bei der Krippe gegönnt. Dazu ist ihnen noch allerlei Schmeichelhaftes über Juden und Heiden in den Sinn gekommen, wovon ich hier lieber schweigen möchte. Auch Väter können sich irren.
Ochse und Esel sind Arbeitstiere. Menschen nehmen ihre Lebenskraft für sich in Anspruch, oft mit einer erschreckenden Selbstverständlichkeit und Gleichgültigkeit: spannen sie in Joche, laden ihnen Lasten auf, lassen sie im Kreis gehen, schlagen und schlachten sie.
Für bäuerliche Idyllen gibt es also kaum einen Grund. Hugo Ball, der Schöpfer des Dada, muss das gewusst haben. Sein traumartiges Gedicht «Der Schlaf» rettet die beiden duldsamen Geschöpfe aus dem Stall ins Bett – unser Bett, dorthin wo wir Geborgenheit finden vor den Nachstellungen der Welt und schlaflos dem Gespräch der Schöpfung lauschen:
«Der Schlaf, unser Schlaf ist ausgestorben,
Das Auge Gottes thront, rote Seidenschleier sein Lid.
Die Nachstellungen der Mandarinen schrecken uns nicht mehr.
Esel und Öchslein wohnen zu unseren Füssen im Bett
Und reden bequem wie zu Weihnachten in Bethlehem.»
Ach Herr, du Schöpfer aller Ding,
wie bist du worden so gering,
dass du da liegst auf dürrem Gras,
davon ein Rind und Esel ass.
(Kirchengesangbuch Nr. 394)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer