Wie kannst also du deinen Bruder oder deine Schwester richten? Und du, wie kannst du deinen Bruder oder deine Schwester verachten? Wir werden doch alle vor dem Richterstuhl Gottes stehen. (Römer 14, 10)
Paulus richtet diese Worte an die Mitglieder der Gemeinde in Rom. Aber wir Menschen heute funktionieren immer noch ähnlich.
Es ist einfach, sich über das Verhalten von anderen zu ereifern. Das ist im Privaten so, aber auch im grösseren Rahmen und in der Öffentlichkeit. Zu strenge Massnahmen gegen Corona – oder viel zu spät und viel zu wenig? Junge, die nur an ihr Vergnügen denken, ältere Leute, die jede Vorsicht ausser Acht lassen, und Beamte, die fahrlässig die Wirtschaft ruinieren. Immer sind es die anderen, die falsch liegen, die schuld sind.
Hier wirft Paulus uns auf uns selber zurück. Hält unser eigenes Verhalten den gleichen Kriterien stand? Und vor allem: könnten die verschiedenen Meinungen nicht doch Versuche sein, das Gleiche zu erreichen?
Gott,
wir erleben, dass alles viel weniger sicher ist als wir dachten.
Wir dachten, ansteckende Krankheiten seien besiegt.
Es gibt ja Antibiotika und unser Gesundheitssystem ist gut.
Jetzt ist alles anders.
Unsicher.
Wir wissen nicht, was auf uns zu kommt, wenn wir so handeln oder so,
was nötig und was übertrieben ist.
Hilf uns, Geduld zu haben: mit denen, die anderer Meinungen sind, aber auch mit uns selbst.
Amen
Brigitta Josef, Pfarrerin