Und ihr wohntet in der Wüste eine lange Zeit. (Josua 24,7)
Kürzlich besuchte ich einen Gottesdienst. Neben mir sass eine Mutter mit einem Kind im Kindergartenalter. Am Anfang wurde das Kind sanft aber bestimmt zurechtgewiesen, weil es auf die Kirchenbank klettern wollte. Danach widmete sich die Mutter konzentriert dem Gottesdienst und der feinsinnigen, aber nicht gerade kinderfreundlichen Predigt der Pfarrerin (es ging um Hiob, sein endloses Leiden und seine Sehnsucht nach dem Gesicht Gottes). Das Kind blieb sich selbst überlassen.
Eine Weile sass es einfach da und schaute herum. Dann legte es sich auf die Bank und setzte sich wieder auf. Danach widmete es sich seinen Händen und den verschiedenen Haltungen, die sie einnehmen können. Schliesslich wurde die Einrichtung des Raumes einer kritischen Prüfung unterzogen, das linke Auge zugehalten, dann das rechte, der Kopf etwas schief gelegt, und die wechselnden Perspektiven wurden geprüft.
Die Langeweile strahlte förmlich von dem kleinen Menschen aus und hatte offensichtlich jede Faser seines Daseins besetzt. Die Mutter mutete ihm das zu, mutete ihm eine Welt von Erwachsenen und eine Reise zu, deren Sinn und Ziel nur sie (und hoffentlich die Pfarrerin) kannte.
Ich litt mit dem kleinen Geschöpf, und ich fragte mich, wer mir die lange Zeit in der Wüste zumutet, auf einer Reise, deren Ziel höchst ungewiss ist, welcher mütterlich-erwachsene Gott, bis sein oder ihr Gesicht sich endlich enthüllt.
Ach wie lang, ach lange
ist dem Herzen bange
und verlangt nach dir.
(Kirchengesangbuch Nr. 659
Hansueli Hauenstein, Pfarrer