Und Abel wurde ein Schafhirt, Kain aber wurde ein Ackerbauer. (Genesis 4,2)
Seit ich als Kind die ersten Wörter entziffern konnte, haben mich Texte fasziniert. Zum Beispiel die auf den Zwiebackschachteln vor mir auf dem Zmorgentisch. Unter den «kühlen und trockenen Orten», an denen ihr Inhalt gelagert werden sollte, konnte ich mir allerlei Geheimnisvolles vorstellte. Ganz zu schweigen von dem eigenartigen Zauber, der von den französischen und italienischen Übersetzungen ausging und noch das Banalste in etwas faszinierend Fremdes verwandelte («Biscottes» …).
Kürzlich hat ein Papiersack aus der Bäckerei meine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. «Kein regionaler Beck … das wäre der Gipfel!» stand darauf. Und etwas weiter unten auf Französisch: «Pas d’artisan-boulanger … quelle triste vie!»
Das Französische (jahrelanger Schulpaukerei sei Dank) verstehe ich mittlerweile soweit, dass ich dem «triste vie» die Leichtlebigkeit und Lebensfreude welscher Lebensart zuordnen kann. Sie will bewahrt werden, und tant mieux, wenn die Bäckerskunst das Ihre dazu beiträgt.
Die deutsche Version enthält ein etwas an den Haaren herbeigezogenes Wortspiel und vor allem: sie trägt den Unterton der Dauerempörung, der für uns Deutschschweizer*innen so bezeichnend ist. Von fröhlicher Lebensart keine Spur.
Ich will nicht so weit gehen, solche Mentalitätsunterschiede schon in der biblischen Urgeschichte zu suchen. Aber angelegt sind sie darin schon, zumindest, was den rechthaberischen Jähzorn des Bauern Kain betrifft.
Die Freude lässt erkennen,
woher die Welt entstand.
Und was wir Wahrheit nennen,
find ich in Deiner Hand.
(Gesangbuch Nr. 50)
Hansueli Hauenstein, Pfarrer