Und es geschah nach drei Tagen, dass sie ihn im Tempel fanden, wie er inmitten der Lehrer sass und ihnen zuhörte und sie befragte. Alle aber, die ihn hörten, gerieten ausser sich über sein Verständnis und seine Antworten. Und als sie ihn sahen, erstaunten sie sehr; und seine Mutter sprach zu ihm: Kind, warum hast du uns das angetan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht. (Lukas 2, 47-48)
Heute geht es wieder los mit der Schule. Grosse und kleine Kinder gehen ihrem Tagwerk nach. Sie verlassen Haus und Familie und machen sich auf den Weg, nicht wie Jesus in den Tempel, sondern ins Schulhaus.
Es ist ein kleiner Schritt in die Fremde – für viele allerdings auch ein grösserer als man ahnen könnte: ein Schritt weg aus der familiär-vertrauten Geborgenheit hinein ins öffentliche Leben. Eltern empfinden das manchmal als Verlust und Zumutung. Vielleicht setzen sie ihr Kind auch deshalb so häufig in die schützenden Wände ihres Fahrzeugs, um es zur Schule zu bringen und ihm die Ungewissheit des Weges zu ersparen.
Das Schulhaus, in dem ich zur Schule ging, sah aus wie ein kleines Schloss: repräsentativ und einer langen Tradition des Lernens und Lehrens verpflichtet. Heute überwiegt funktionale Nüchternheit. Aber auch darin wissen Kinder sich zu bewegen, elterliche Verlustängste und -schmerzen hin oder her.
Eine kleine Zwischenfrage: wieso redet Maria eigentlich in der Wir-Form?
In der Schule begegnet das Kind Erwachsenen, die einen grossen Teil ihres Lebens dem Lehren und Lernen widmen, den Absonderlichkeiten, die Kinder aus ihren Elternhäusern mitbringen, ihrer Neu- und Wissbegierde, ihrem Freiheitsdurst. Manchmal geraten sie ins Staunen, wenn die Rollen sich umkehren und sie selber von den Kindern befragt und in Frage gestellt werden. Es ist dieses Staunen, das an der Wurzel jeder Bildung liegt.
Gott,
als wissensdurstiges Kind hast du deinen Sohn geschaffen,
beschenkt mit der Gabe des Fragens und des Verstehens,
und voller eigener Antworten auf die Rätsel des Lebens.
So lass uns selber werden als deine Söhne und Töchter.
Und diese Freiheit lass uns unseren Kindern gewähren,
damit deine Welt ihr Zuhause wird.
Hansueli Hauenstein, Pfarrer