Dann würdest du alle Mühsal vergessen und so wenig daran denken wie an Wasser, das verrinnt.
(Hiob 11,16)
Vor kurzem sah ich in den Nachrichten, dass in der Ukraine seit Tagen rund um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl starke Waldbrände wüten. Winde tragen den immer noch radioaktiven Staub mit dem Rauch bis zur Hauptstadt – Kiew.
Endlich ein Thema, dass nicht mit dem Coronavirus in Verbindung gesetzt wurde! Ich wurde nachdenklich. Ich erinnerte mich an die Zeit, als ich noch ein kleines Mädchen war. Es war Ende April 1986, mein Vater kam nachhause und sagte, dass etwas Schlimmes passiert sei. Was genau, konnte er noch nicht erklären. Wir sollten zuhause bleiben, laut und nervös wurde er. Ich hatte ihn noch nie so erlebt. Am 26. April 1986 war es in Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl in der Ukraine zur bislang grössten Nuklearkatastrophe in der Geschichte gekommen. Die Mediziner vermuten, dass mehr als 1,4 Millionen Menschen an den Folgen der Tschernobyl-Katastrophe bis heute gestorben sind. Und immer noch sterben in den am meisten betroffenen Gebieten in der Ukraine, in Weissrussland und Russland Menschen an Krebs.
Wissen wir heute noch, was das überhaupt für eine Katastrophe war? Oder ist es bei uns in Vergessenheit geraten? Die Radioaktivität von damals ist auch bei uns nicht einfach verschwunden. In Süddeutschland, Österreich und der Ostschweiz ist die Belastung in manchen Regionen immer noch hoch. Die Behörden raten ab, die Pilze zu sammeln und das Fleisch von Wildschweinen zu verzehren. Aber die Angst ist fort. Man hat sich an die Situation gewöhnt.
Auch an die Corona-Krise gewöhnen wir uns bereits. Das Gebot, «zuhause bleiben», wird gelockert. Wir vergessen inzwischen den richtigen Abstand zu halten, wir stehen in Schlangen vor den Gartengeschäften. Und wir gehen häufiger raus, um einfach mal Brot zu besorgen. Die Strassen und Plätze füllen sich langsam wieder. Das ist schön, aber ist es auch richtig?
Gott, bitte entschuldige,
wenn wir vergesslich sind
und erinnere uns daran,
die Sorge um unsere Nächsten und um uns selbst zu tragen.
Anna Hemme-Unger