Gerade auf die Körperteile, die unbedeutender zu sein scheinen, kommt es an. Den Körperteilen, die wir für weniger beachtenswert halten, lassen wir besondere Achtung zukommen, und bei denen, die wir an uns für unanständig halten, achten wir besonders auf Würde. Was wir an uns für anständig halten, muss ja nicht besonders geehrt werden. (Erster Korintherbrief 12, 22-24)
Zu den gegenwärtig wohl am meisten verkauften Konsumgütern gehört Toilettenpapier. Es wird packweise in Einkaufswägen geladen und dann zuhause irgendwo gelagert, wo es, nehme ich an, nicht allzu sehr auffällt. Das Wozu dieses Handelns ist nicht schwer zu erklären. Beim Weshalb wird es schon schwieriger.
Auffällig ist, dass es sich bei diesen Lagerkäufen um eine Art kultureller Konstante handeln muss, denn sie ereignen sich in Zürich genauso wie in Jakarta oder New York. Offenbar geht es um ein menschliches Grundbedürfnis, und, so spekuliere ich, dieses kann nur mit Scham verbunden sein, dem vielleicht wirkmächtigsten unserer Gefühle – und vielleicht auch mit einem Bedürfnis nach Versorgtsein und Geborgenheit in einem stillen Kämmerlein, von dem wir sonst nicht so gern sprechen.
Paulus, der sich über den Wert verschiedener Körperteile und –funktionen so seine Gedanken gemacht hat, verbindet das „Gschämige“ mit dem Bedürfnis nach Würde: Ein schöner Gedanke angesichts toilettenpapierhamsternder Zeitgenossen.
Gott,
vielleicht ist dir unsere Scham noch näher
als unsere Liebe und Verehrung;
und wenn wir verrückt werden wegen ihr,
denke ich gern,
dass du ein wenig lächelst.
Hansueli Hauenstein, Pfarrer